1.3.4.1 Gedanken zum Schulunterricht

Lernkultur

In einem Buch über die jüdische Kultur in Osteuropa fand ich Folgendes: Die angesehensten Männer in einer jüdischen Gemeinde waren nicht die reichen Kaufleute, sondern diejenigen, die die Thorah studierten. Sie hatten die Ehrenplätze in der Synagoge. Jede jüdische Ehefrau sah es als eine große Ehre an, alles Geld für den Haushalt selbst zu erarbeiten, damit ihr Ehemann sich in seiner Studierstube voll dem Studium der Thorah widmen konnte. Enstprechend war der begehrteste Schwiegersohn der Thorah-Student, Und die ganze Familie war begeistert, wenn die Söhne Hebräisch lesen lernten oder Teile des Alten Testaments auswendig konnten. In einer solchen Kultur hatte das Lernen einen hohen Stellenwert, und der intelligente Mann war der begehrteste Ehepartner. Dies führte zu einem höheren Intelligenzniveau in der jüdichen Bevölkerung und insbesondere zu einem weit weit überdurchschhnittlichen Anteil von Juden unter den Menschen mit sehr hohem Intelligenzniveau.

Im chinesischen Kaiserreich gab es eine Klasse von hohen Beamten, die Mandarine. Diese Stellung konnte man erreichen, indem man die Mandarin-Prüfung bestand. An dieser Prüfung konnten junge Männer aus allen sozialen Schichten teilnehmen. Auch ein junger Mann aus einer sehr armen Familie konnte Mandarin werden, wenn er die Prüfung bestand. Deshalb hatte das Lernen in China einen sehr hohen Stellenwert. Ich selber hatte eine Schülerin chinesischer Abstammung im Unterricht, die 3 Jahre vorher mit ihrer Mutter aus der Volksrepublik China nach Deutschland gekommen war, und damals kaum Deutsch konnte. Innerhalb von 3 Jahren hat sie für die Schule so fleißig gelernt, daß sie danach die beste Schülerin der Klasse im Deutschunterricht war.

Vor 1960 wurde in Deutschlands Schule viel gelernt. Es gab damals die achtklassische Volksschule, die von den meisten Schülern besucht wurde. Schüler, die vorhatten, an einer Universiotät zu studieren, verließen die Volksschule nach 4 Jahren und besuchten die neunjährige Oberschule. Schüler, die nicht studieren , aber gehobene Berufe erreichen wollten, verließen die Volksschule nach der 6. Klasse, um an die vierjährige Mittelschule zu gehen. Die übrigen Schüler, damals die Merhzahl, schlossen die Volksschule nach 8 Jahren ab. Der Volksschulabschluß war angesehen und eröffnete damals den Weg zu sehr vielen anerkannten Berufen. Meine Großeltern mütterlicherseits gehörten zur Arbeiterklasse, bildeten sich selber weiter und hatten sich die gesammelten Werke von Johann nWolfgang von Goethe und von Friedrich Schiller gekauft. Meine Mutter und ihre Eltern fürderten meinen Wissensdurst, waren stolz auf alles was ich vor und während meiner Schulzeit lernte und förderten meinen Schulbesuch im Gymnasium wie sie nur konnten. Ich durfte das Humanistische Gymnasium in Erlangen, einer Universitätsstadt, besuchen, in dem wir 9 Jahre Unterricht in Latein und 6 Jahre Unterricht in Altgriechisch hatten, beides mit je 4 – 5 Unterrichtsstunden pro Woche. In beiden Fächern machte ich Abitur neben Mathematik, und Deutsch.

Fremdsprachen an der Schule

Eltern, die nicht sicher waren, ob ihr Kind das Abitur schafft, schickten ihr Kind lieber an die Oberrealschule, die später als mathmatisch-naturwissenschaftliches Gymnasium bezeichnet wurde. Diese Schule begann mit Englisch als 1. Fremdsprache und bot zusätzlich eine besonder Klasse an, in der Schüler, die mit mittlerer Reife abgehen wollten, Dinge lernten, die in der Mittelschule gelehrt wurden, so daß diese Schüler eine vollwertige mittlere Reife bekamen. Ich empfand dies als eine sehr gute Lösung für diese Schüler.

Ich selber bin sehr dankbar, daß ich an der Schule einen sehr guten Unterricht in Latein und Griechisch bekam, zwei Sprachen mit einer sehr reichen Grammatik. Das erleichterte mir sehr den Zugang zu anderen Sprachen mit viel Grammantik, z. B zu Frasnzäsisch, Itlienisch und Spanisch, aber auch zum Türkischen das so wunderbar lange Sätze bilden kann. In Englisch lernte ich, da es meine 3. Fremdsprache war, trotz der nur 2 Wochenstunden sehr viel. Vor allem hatte ich später im Studium und Beruf sehr viele Mögllichkeiten, Englich zu lesen, und zu kommunizieren. Mein Englisch ist geprägt von Richard P. Feynman, C. S. Lewis und J. R. R. Tolkien. Ich halte es für das begabte Kind nach wie vor für eine Zeitverschwendung, 9 Jahre Englisch im Unterricht zu haben.

Der Sprachunterricht hat mich in einem Maß gefordert, das ich für gut zu bewältigen empfand, und mir so stabile Kenntnisse vermittelt, daß ich die beiden alten Sprachen immer noch sehr gut beherrsche und ich z. B. das Griechische Neue Testament einfach herunterlesen und verstehen kann; nur gelegentlich muß sich ein Wort dazu nachschlagen. Der Sprachunterricht hat mich so motiviert, daß ich mich entschloß, in der 11. Klasse zwei weitere Sprachen als Wahlfach zu nehmen: Zweimal pro Woche von 7 – 8 Uhr morgens Hebräich und am Nachmittaq zweimal die Woche Französisch. In meinem ersten Jahr Hebräisch konnte ich dann am der Erlanger Theologischen Fakultät die Hebräischprüfung für evangelische Theologiestudenten ablegen. Statt des dritten Jahres Französich habe ich dann stattdessen noch ein Jahr Russisch gelernt und dies außerordentlich genossen. Ich empfehle dringend, den Unterricht mit Latein zu beginnen und als Zweitsprache Franzlsisch, Italienisch, Spanisch oder Russisch zu wählen und Englisch als dritte Fremdsprache.

An der Universität studierte ich dann noch 8 Semester lang klassisches Arabisch parallel zu meinem Physikstudium. Klassisches Arabisch wäre auch eine schöne Sprache, aber man muß dabei auf Folgendes sehr achten: Wer zweimal mit erhobenem Zeigefinger das islamische Bekenntnis ausspricht (Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed ist der Gesandte Allahs), ist damit zum Islam übergetreten. Falls er dann wieder den Islam verlassen will, ist er nach islamischem Recht des Todes schuldig.

Ich habe eine Freude daran entwickelt, im Selbststudium Sprachen zu lernen, neben Italienisch, Türkisch, Schwedisch und Niederländisch auch etwas Spanisch, Japanisch und Mandarin. In Thailand lernte ich die Landessprache so, daß ich eine Stiftungssatzung auf Thai erstellen konnte und über mehr als 10 Jahre fast jeden Sonntag auf Thai predigte.

Solange eine Sprache mit einer fremden Buchstabenschrift geschrieben wird, wie Russisch, Hebräisch, Arabisch oder Thai, wird man feststellen, daß man das neue Alphabet innerhalb von wenigen Wochen beherrscht, weil man es beim Gebrauch der Sprache ständig wiederholt. Wesentlich schwieriger ist es mit den Sprachen, die Chinesische Schriftzeichen benutzen. Der Japaner muß bis zum Abitur etwa 2000 dieser Zeichen mit je einer „japanischen“ und „chinesischen“ Aussprache lernen. Die Zahl der zu lernenden Zeichen dürfte im Chinesischen noch deutlich höher sein. Wer eine Sprache wirklich lernen will, wird nicht darum herumkommen, 800 – 1000 Wörter als Grundwortschatz dauerhaft zu lernen

Zur „Reformierten Oberstufe“

Ich bin heilfroh, daß mir die reformierte Oberstufe erspart blieb. Wer als Leistungskurs das lernt, was er später studieren will, muß feststellen, daß er dann an der Universität in einem Semester all das wiederholt, was er an der Schule in drei Jahren gelernt hat, und hinterher genauso hart arbeiten muß wie die, die erst an der Universität in dieses Fach eingestiegen sind. Ich empfehle dringend, an der Schule genau das zu lernen, was man an der Universität nicht mehr macht.

An unsererem Gymnasium gab es das Experiment, daß den Schülern die Wahl Physik oder Chemie als Schwerpunktfach angeboten wurde. Das Schwerpunktfach wurde drei Jahre lang mit drei Wochenstunden unterrichtet, das andere Fach zwei Jahre lang mit 2 Wochenstunden. Unser Gymnasium war damals zweizügig mit je 2 Klassen pro Jahrgang. In unserer Jahrgangsstufe hatten wir insgesamt 36 Schüler. Von diesen 36 Schülern baten 20 Schüler die Schulleitung, ob wir nicht Schwerpunktunterricht in Physik und Chemie haben könnten. Dies wurde genehmigt, und wir hatten eine hervorragende Lernatmosphäre, in der wir wirklich etwas lernten. Ich habe dort im Physikunterricht sehr eindrücklich erlebt, wie die Beschreibung der Schwingung durch eine Sinuskurve vorhersagt, daß zwei gleichstarke Schwingungen leicht unterschiedlicher Frequenz ein An- und Abschwellen des Tones vorhersagen, das sich dann auch bei der entsprechenden Beobachtung zeigt. Dies ist ein Beispiel einer zentralen Struktur in der physikalischen Forschung, daß eine Theorie unerwartete Phänomene vorhersagt, die man dann tatsächlich beobachten kann.

Wir hatten einen altmodischen lehrerzentrierten Frontalunterricht, bei dem ich viel gelernt habe und der mich motiviert hat, Physik zu verstehen und erfolgreich zu studieren. Ich halte es für unmöglich, daß Schüler im Physikunterricht Naturgesetze und die zentralen Strukturen des Faches selbständig herausfinden oder gar beweisen können. Und wer die grundlegende Struktur des Faches nicht verstanden hat, lernt einen Haufen von unzusammenhängenden Trümmern, der sich dann auch schlecht behalten läßt.

Und wenn im Geschichtsunterricht das Lernen von Jahreszahlen zugunsten des exemplarischen Lernens abgeschafft wird, führte dies bei Professor Dietrich Schwanitz dazu, daß innerhalb von 10 Jahren bei Anfängern des Anglistik-Studiums „nur sechs von 100 Befragten die Frage beantworten konnten, wer Oliver Cromwell war und wann er gelebt hatte. Und die Lebensdaten Shakepeares wurden gerecht auf alle Epochen zwischen dem 12. und 19. Jhrhundert verteilt.“ (Schwanitz, Dietrich: Bildung. Alles, was man wissen muss. Frankfurt am Main 2002, Seite 30)

Im gegliederten Schulwesen hatte man früher Schülergruppen mit einem ziemlich vergleichbaren Leistungsniveau: Damit war eine genügende Förderung und Forderung eher möglich. Der Zusammenbruch der Geburtenraten in Dutschland führte dann dazu, da die Zahl der Lehrerstellen gekoppelt war mit der Zahl der Schüler, daß die Schulen mehr Schüler aufnahmen, die sie früher nicht aufgenommen hatten. Wenn man dann schließlich in einer Klasse 30 % Gymnasialschüler, 50% Realschüler und 30% Hauptschüler hat und dann Untericht für alle machen will, bremst man die guten Schüler aus. Wenn dann bei einer Klassenarbeit grundsätzlich erwartet wird, daß die Durchschnittsnote um 3,0 liegt und daß die Arbeit wiederholt werden muß, wenn ein Drittel der Schüler die Noten 5 oder 6 hat, führt das zu einer drastischen Herabsetzung des Unterrichtsniveaus. Außerden gibt es einen starken Druck von Seiten der mittelmäßigen und schlechten Schüler, daß Schüler nicht zu gut und zu fleißig sind, weil diese Schüler „die Preise verderben“. Als in Hessen ein Internat für besonders begabte Schüler eröffnet wurde, sagte einer dieser Schüler: „Endlich kann ich so viel lernen, wie ich möchte,“ Welch ein Bankrott des öffentlichen Schulwesens!

Ein tiefgreifendes Problem liegt nun darin, daß, angeblich zu Gunsten der Schüler, pro Woche nur 2 schriftliche Klassenarbeiten angesetzt werden dürfen, und diese Arbeiten eine Woche vorher angekündigt werden müssen. Dies führt dann zum „Verdauungslernen“: Der Schüler nimmt das Wissen vor der Arbeit auf, gibt es in der Arbeit wieder, erhält eine gute Note dafür, und scheidet dieses Wissen nach der Arbeit wieder aus. Nach nicht allzulanger Zeit ist dann von diesem Wissen nichts mehr übrig. Wie will man unter diesen Umständen überhaupt einen dauerhaften Schatz von Wissen bei den Schülern aufbauen? Wie will man auf Dauer z. B. eine Konversation auf Englisch führen, wenn man nicht einen Grundwortschatz von 850 Wörtern und die grundlegende englische Grammatik ständig bereit hat?

In einem Film wurde eine amerikanische Familie vorgestellt, die ihre 10 Kinder selber unterrichtete (Homeschooling): Man hatte den Eindruck, daß diese Kinder Erwachsene zum Vorbild hatten und erwachsen werden wollten. In der öffentlichen Schule geschieht die Sozialisierung durch die Gleichaltrigen, die noch keine Verantwortung tragen mußten und oft nicht gelernt haben, auf andere Rücksicht zu nehmen. Wenn man in einer solchen Schulklasse unterrichtet, hat man kaum die Möglichkeit, auf Fragen einzelner einzugehen, weil sonst in dieser Zeit die anderen Schüler über Tische und Bänke gehen. Und wenn dann 20-30% einer Schulstunde darauf verwendet werden müssen, überhaupt eine Lernatmosphäre herzustellen, kann man sich vorstellen, daß der Lernerfolg in einer solchen Klasse nicht sehr groß ist.

Die Jahrgangsklasse als Problem: Wer einmal unten ist, kommt kaum mehr hoch.


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